Zum Inhalt springen
Fotostrecke

Wohnen beim Discounter: Hotel über Lidl, Wohnungen von Aldi

Foto: Lidl Deutschland

Immobilienprojekte der Discounter Zur Miete bei Aldi und Lidl

Lidl baut in Hamburg eine Filiale mit Hotel, Aldi errichtet Wohnungen in Berlin: Die Handelskonzerne werden zunehmend auf dem Immobilienmarkt aktiv. Wer profitiert davon?

Neugierige Hamburger stehen vor dem Lidl-Markt in der Holstenstraße. Sie können die breiten Gänge, die Brot- und Brötchentheke und die vollen Regale sehen. Problem nur: Sie kommen nicht rein. Die Eröffnung des Lidl-Marktes zwei Gehminuten von der Reeperbahn entfernt, ist erst am nächsten Tag. Lidl-Manager Joachim Florack freut sich, dass die Strategie aufgegangen ist: "Wir wollen zum Kunden, da wo die Musik spielt." Jetzt sind die Kunden schon da, bevor er seinen Markt überhaupt eröffnet hat.

Lidl hat etwas Neues gewagt, um den Kunden nahe zu sein: Das Gebäude an der Holstenstraße ist nicht nur ein Supermarkt, sondern auch ein Hotel. Im Erdgeschoss die 1300 Quadratmeter große Lidl-Filiale. In den fünf Stockwerken darüber logieren nun in 300 Zimmern Hotelgäste.

In einem anderen Hamburger Stadtteil plant Lidl eine neue Filiale mit einer Kita obendrauf. In Stuttgart hat sich diese Idee schon bewährt. An anderen Standorten werden Wohnungen über die Märkte gebaut. Auch Aldi setzt auf dieses Konzept. In Berlin will Aldi Nord an 15 Standorten 2000 Wohnungen bauen.

Haben die Handelsunternehmen den boomenden Wohnungs- und Immobilienmarkt als neues Geschäftsfeld entdeckt? Was steckt hinter der Strategie?

Es ist vor allem die Knappheit, die Aldi und Lidl in den Großstädten zu neuen Ideen zwingt. Nicht nur Wohnraum ist knapp, sondern auch Handelsflächen.

Die Entwicklung neuer Projekte sei vor allem ein Mittel zur Expansion, sagt Lidl-Immobilienmanager Niels Kratzin. Er hat die Hamburger Kiez-Filiale und das Hotelprojekt mitgeplant. 2011 kaufte Lidl das brachliegende Filet-Grundstück. Es war klar: Die Stadt erwartete mehr als nur einen Discounter.

Viele Ideen wurden durchgespielt. Wohnungen kamen nicht infrage - zu groß sei der Lärm vom Hamburger Vergnügungsviertel nebenan. Es kam die Idee mit dem Hotel auf. 2015 erteilte die Stadt die Baugenehmigung. Lidl verkaufte das gesamte Projekt an einen Investor und mietete sich wiederum im Erdgeschoss ein. Dort hat Lidl nun doppelt so viel Verkaufsfläche wie in der vorherigen Kiez-Filiale.

Neue Lidl-Filiale nahe der Hamburger Reeperbahn

Neue Lidl-Filiale nahe der Hamburger Reeperbahn

Foto: Lidl

Ob das Unternehmen Eigentümer und Vermieter bleibe oder Projekte weitergebe, werde im Einzelfall entschieden, sagt Lidl-Manager Kratzien. Wichtig sei, den Fokus zu behalten: "Wir sind Lebensmittelhändler."

Dass Händler selbst größere Immobilienprojekte vorantreiben, berge die Gefahr, dass sie den Fokus aufs Kerngeschäft verlieren, sagt Marco Atzberger vom Handelsinstitut EHI. Instandhaltung und Mieterbeschwerden könnten viele Ressourcen binden. Angesichts von Wohnungsmangel in vielen Großstädten könnten Lidl und Aldi sich aber einen Imagegewinn verschaffen. Zudem nehmen die Kommunen den Handel bei der Stadtentwicklung verstärkt in die Verantwortung. Wer kooperiere, komme leichter an geeignete Flächen. "Den Effekt, Wohnungen zu bauen, nehmen die Händler mit", sagt Atzberger.

Für neue Wohnungen gibt's mehr Fläche

Aldi Nord will die geplanten Wohnungen in Berlin selbst verwalten. Der Konzern braucht für seine neuen Märkte Verkaufsflächen von bis zu 1400 Quadratmetern. "Der Entschluss für unsere Immobilienvorhaben ist somit die Symbiose aus dem Interesse der Stadt Berlin an bezahlbarem Wohnraum und großflächigen Aldi-Verkaufsstellen - eine Win-win-Situation für beide Seiten", schreibt die Pressestelle.

Eine Verpflichtung, bei neuen Handelsflächen auch Wohnraum zu schaffen, gebe es nicht, heißt es bei der Stadt Hamburg. Wohnungsbau erhöhe auch nicht die Chance auf schnellere Genehmigungen. Aber er ist ein gutes Argument. Der Hamburger Bezirk Eimsbüttel will jährlich 1050 neue Wohnungen genehmigen. Dazu gehört auch eine "Discounter-Strategie".

Das Ziel: Lieber Gebäude aufstocken, als Grünflächen verbrauchen und eine Stadt der kurzen Wege. "Wir versuchen in Einzelgesprächen die Vorhabenträger davon zu überzeugen, dass sich ein Haus besser in die Stadt einfügt als ein Flachmarkt", sagt Jan Philipp Stephan, Leiter der Stadtplanung des Bezirks Eimsbüttel. Den Supermärkten gehe es meist nur darum, ihre Verkaufsfläche zu erweitern. Mittlerweile spricht das Bezirksamt mit mehreren Händlern deren bestehende Märkte durch, ob eine zusätzliche Nutzung infrage komme. Allein an fünf Standorten von Aldi Nord gibt es laut Stephan konkrete Wohnungsbaupläne.

Leiser liefern

Für die Unternehmen ist es deutlich aufwendiger, eine Filiale zu planen und zu betreiben, wenn Wohnungen dazugehören. So sollen etwa der Lieferverkehr oder Kühlanlagen die Anwohner so wenig wie möglich stören. Bei manchen Märkten verschwinden Lastwagen in speziellen Ladetunneln. Rewe hat sich in Köln an einem Forschungsprojekt zu "geräuscharmer Nachtlogistik" beteiligt. Waren wurden mit Elektro-LKW und in Containern mit speziellen Rollen ausgeliefert.

Für Rewe sind solche neuen Ideen wichtig, denn der Handelskonzern hat sich in vielen Wohn- und Geschäftshäusern mit seinen Supermärkten eingemietet. Während Aldi und Lidl bei ihren Verkaufsflächen relativ starre Vorgaben haben und große Standorte brauchen, kann Rewe mit seinen verschiedenen Konzepten Flächen ab 500 Quadratmetern nutzen. Darum wird der Konzern auch in gefragten Lagen leichter bei Mietobjekten fündig. Rewe tritt bislang nicht selbst als Projektplaner oder Vermieter auf.

Aldi will auch Sozialwohnungen schaffen

Beim Deutschen Mieterbund (DMB) gibt es bisher noch keine Erfahrungen, ob Mieter mit Aldi, Lidl und Co. andere oder größere Probleme haben als mit typischen Vermietern oder ob es größere Probleme mit Lärm gibt. "Wir stehen dem extrem positiv gegenüber", sagt DMB-Präsidiumsmitglied Siegmund Chychla über den Wohnungsbau der Discounter. Er setzt auf eine professionelle Verwaltung und sieht für Mieter den Vorteil der kurzen Wege. Zudem hofft Chychla, dass die Unternehmen auch Sozialwohnungen schaffen.

Aldi-Projekt in Berlin-Lichtenberg

Aldi-Projekt in Berlin-Lichtenberg

Foto: ALDI Immobilienverwaltung

In Hamburg streben die Behörden bei Neubauprojekten grundsätzlich an, dass ein Drittel der Wohnungen öffentlich gefördert sind. Aldi Nord hat für Berlin versprochen, die Objekte freiwillig zu einem Drittel mit Sozialwohnungen auszustatten. Diese sollen für 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet werden.

Ob sich die Discounter bei der regulären Miete genauso günstig zeigen wie bei den Preisen ihrer Waren? Aldi will seine regulären Wohnungen für maximal zehn Euro pro Quadratmeter vermieten. Das sei in den meisten Fällen unter dem aktuellen Mietpreis in den jeweiligen Stadtteilen, schreibt die Pressestelle.

Lidl erklärt dazu, wo der Konzern selbst vermiete, wolle er "ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis bieten".